Maschinelles Lernen für die Simulation von Photochemie

03.12.2020

Ziel von Photochemie-Simulationen ist es, die Wechselwirkungen von Molekülen und Licht – wie sie für Prozesse wie die Photosynthese, das menschliche Sehen und die Photovoltaik entscheidend sind - zu analysieren und vorherzusagen. Quantenchemische Methoden, mit denen sich die vielfältigen durch Licht angeregten Zustände der Moleküle beschreiben lassen, haben in jüngster Zeit durch den Einsatz von maschinellem Lernen großen Aufschwung erfahren. Das enorme Potenzial dieser KI-Technologie für die theoretischen Berechnungen zeigen der Chemiker Philipp Marquetand von der Universität Wien und Julia Westermayr von der Universität Warwick in einem kürzlich erschienenen Übersichtartikel in „Chemical Reviews“ auf.

Die theoretische Untersuchung der angeregten Zustände von Molekülen ist wichtig, um Hand in Hand mit experimenteller Forschung einen noch präziseren Einblick in viele grundlegende Prozesse des Lebens und der Natur zu ermöglichen.

„Den Grundzustand von Molekülen, bei denen die Elektronen noch nicht durch Photonen oder andere Einflüsse angeregt worden sind, können wir in vielen Fällen durch einfache und schnelle Kraftfeld-Rechnungen beschreiben“, sagt Studienautor Philipp Marquetand vom Institut für Theoretische Chemie der Fakultät für Chemie. Die wesentlich kompliziertere theoretische Charakterisierung und Vorhersage von angeregten Zuständen versucht die Forschung mit Hilfe der Quantenmechanik zu lösen, die wiederum sehr langwierig und rechenaufwändig ist.

100.000-mal schnellere Berechnungen

In ihrem Übersichtartikel zeigen Marquetand und seine ehemalige Doktorandin Westermayr, die nun als Postdoc in Großbritannien tätig ist, auf, welche Möglichkeiten hier der Einsatz von maschinellem Lernen eröffnet und was heute bereits möglich ist:

„Diese Form von künstlicher Intelligenz kann die quantenchemischen Simulation erheblich beschleunigen. Derzeit erzielen wir eine Beschleunigung um das 100.000-fache“, so Marquetand, der mit seiner Gruppe mittels maschinellen Lernens angeregte Zustandsdynamiken untersucht und darauf aufbauend auch das Grundverständnis für Reaktionsmechanismen in der Photophysik und Photochemie ausbauen möchte: „Unser Traum ist es, künftig noch schneller rechnen zu können.“

Neue Moleküle vorhersagen

Mittels Methoden des maschinellen Lernens können die Forscher*innen z.B. auch die Farbe eines Moleküls viel genauer erkennen, also eine höhere Auflösung bei der Simulation von UV/VIS-Spektroskopie erzielen. Auch Transferleistung statt stupidem Auswendiglernen ist bei diesem Ansatz gefragt, bei dem die Maschinen lernen, wie Elektronen mit ultraviolettem (UV) und sichtbarem Licht angeregt werden.  „Hier versuchen wir beispielsweise, Absorptionsspektren theoretisch zu berechnen und sogar Moleküle vorherzusagen, die der Machine-Learning-Algorithmus bis dato noch nicht gesehen hat“, so Marquetand. Nach dem Motto: „Ich zeige dir zwei Moleküle und bitte sag‘ du uns ein drittes voraus“ – ein Ansatz, der „in Teilen bereits sehr vielversprechende Ergebnisse liefert“, obwohl die Forschung in Bezug auf diese Anwendung von KI erst am Anfang steht.

Publikation in “Chemical Reviews”:

Machine Learning for Electronically Excited States of Molecules, von Julia Westermayr und Philipp Marquetand, in Chemical reviews 2020, https://doi.org/10.1021/acs.chemrev.0c00749

Wissenschaftlicher Kontakt

Priv.-Doz. Dr. Philipp Marquetand

Institut für Theoretische Chemie
Universität Wien
1090 - Wien, Währinger Straße 17
+43-1-4277-527 64
philipp.marquetand@univie.ac.at

Maschinelles Lernen für die Simulation für Photochemie (Copyright: P. Marquetand & J. Westermayr)