Co-Corporeality – Kommunikation mit mikrobieller Umwelt

25.02.2022

Im Rahmen des FWF-Forschungsprojektes "Co-Corporeality" setzen sich Vertreter*innen von Architektur, Kunst und Wissenschaft mit dem Kontakt von Mensch und Bakterien auseinander. Von Seiten der Universität Wien waren die Fakultät für Chemie und das Zentrum für Mikrobiologie und Umweltsystemwissenschaft (CMESS) beteiligt. Am Dienstag eröffnete zum Projektende eine Ausstellung, die noch bis 11. März zu sehen ist.

Im Mittelpunkt der Forschung, unter Leitung der Architektin Barbara Imhof (Universität für angewandte Kunst Wien), stand die Kommunikation mit unserer mikrobiellen Umwelt. Co-Corporeality beschäftigte sich mit der Frage, wie der Mensch mit seiner Umwelt, in diesem Fall Bakterien, in Kontakt treten kann. Co-Corporeality verwebt „Sensortechnik, künstliche Intelligenz und Maschinen mit eben genannten biologischen Subjekten, um eine neuartige raumgreifende Kommunikationsplattform zu schaffen“, heißt es in der Ausstellungsankündigung.

AI und „E-Feeder“ für Bakterien

Ein Ansatz des Projektes war es, Darmbakterienkulturen (E.coli) über einen "E-Feeder" entweder mit Nahrung zu versorgen oder aber UV-Licht auszusetzen, je nachdem, ob ein bei einem Online-Meeting ins Visier genommener Teilnehmer positive oder negative Emotionen zum Ausdruck brachte. Eine eigens dafür konzipierte AI-Software scannte die Emotionen und übertrug die automatisierte Ausschüttung von Laktose oder X-Gal (ein Pigment, das an Galaktose gebunden ist) als Nahrung oder UV-Licht - für die Mikroorganismen tödlich - an die Bakterien.

Die Materialchemiker*innen um Alexander Bismarck von der Fakultät für Chemie unterstützen die Sichtbarmachung der Reaktionen über farbliche Kennzeichnung: "Laktose regte die Säureproduktion der Bakterien an und das Medium verfärbte sich rot, X-Gal bzw. Galaktose führte zu einer bestimmten Pigment-Freisetzung, die sich dann blau zeigte", sagt Neptun Yousefi, Projektmitarbeiterin und Doktorandin am Institut für Materialchemie.

Der Beitrag des Teams um Mikrobiologe David Berry von der Forschungsabteilung für Mikrobielle Ökologie am CMESS nutzt ebenfalls Farbwechsel, um sichtbar zu machen, wie sich das Darmmikrobiom und der Mensch als Wirt gegenseitig nähren und schützen. "Wir haben eine nährstoffreiche Umgebung für das Darmbakterium E. coli geschaffen. Wenn es diese Nährstoffe nutzt und wächst, produziert es Acetat, eine wertvolle Energiequelle für den Körper. Allerdings senkt es damit den pH-Wert und hemmt dadurch das eigene Wachstum", erklärt David Berry. Ein pH-empfindlicher Farbstoff macht den für E. coli optimalen (violett) und den kritisch niedrigen pH-Wert (gelb) sichtbar. In der Ausstellung löst der über ein Eye-Tracking-Gerät erfasste Blick der Besucher*innen ein automatisiertes Spendersystem aus, das den pH-Wert wieder ins Gleichgewicht bringen kann. 

Bakterielle Cellulose

In einem zweiten Ansatz wurde mit Hilfe von Kombucha-Bakterien resp. einem weiteren Bakterienstamm bakterielle Cellulose produziert. "Die bakteriell gewonnene Cellulose ist ein Biomaterial, welches in der Regel nur sehr langsam von den Bakterien gebildet wird. In unseren Arbeiten haben wir versucht, die Rahmenbedingungen – also Temperatur, pH-Wert, Nährstoffzusammensetzung, etc. - für die Anreicherung von bakterieller Cellulose so zu optimieren, dass sie schneller gebildet wurde", so die Materialchemikerin Neptun Yousefi.

Auch ein 3D-gedrucktes Polymermaterial (structural composite) als stützende Komponente wurde eigens entwickelt, um der wachsenden bakteriellen Cellulose auch gleich die Möglichkeiten für die Formgebung mitzugeben. Über verschiedene Verfahren konnte dann das Wachstum der bakteriellen Cellulose systematisch gelenkt werden. Objekte der bakteriellen Cellulose sind Teil der Ausstellung.

Ausstellung "Degrees of Life" bis 11. März 2022

Mo-Sa, 11am – 6pm, nach Terminvereinbarung, Rustenschacherallee 2-4, 1020 Wien, info@cocorporeality.net, https://cocorporeality.net/news/degrees-of-life-exhibition-visit

Bakterielle Cellulose und Polymer-Komposit © Co-Corporeality

Neptun Yousefi mit bakterieller Cellulose © Fakultät für Chemie

E. coli © Co-Corporeality

E.coli Bakterien in optimaler (violett) und kritischer (gelb) Umgebung © David Berry