Stoffwechsel reagiert auf Rauchen unterschiedlich

05.10.2020

Eine US-Studie unter Beteiligung des Bioanalytikers Benedikt Warth von der Fakultät für Chemie der Universität Wien konnte zeigen, dass das Rauchen bei Afroamerikanern und Weißen unterschiedliche Stoffwechselprozesse in Gang setzt. Die Forscher*innen liefern damit eine mögliche Erklärung, warum Afroamerikaner eine höhere Wahrscheinlichkeit haben an Lungenkrebs zu erkranken. Die Studie erschien in der Fachzeitschrift "Chemical Research in Toxicology".

Afroamerikanische Raucher*innen haben ein höheres Risiko an Lungenkrebs zu erkranken als Weiße. Warum dies so ist, darauf hat die Forschung noch keine abschließende Antwort. Einige Studien deuten darauf hin, dass die zwei ethnischen Gruppen krebserregende Stoffe im Zigarettenrauch unterschiedlich verstoffwechseln und entgiften.

Ein internationales Team um Silvia Balbo vom Masonic Cancer Center in Minnesota und Benedikt Warth vom Institut für Lebensmittelchemie und Toxikologie der Universität Wien hat nun eine umfassende Analyse von Metaboliten, also Zwischenprodukten des Stoffwechsels, im Urin von rauchenden Afroamerikanern und weißen US-Bürgern durchgeführt. "Dabei haben wir Unterschiede in gleich mehreren Umsetzungsprozessen des Stoffwechsels entdeckt. Es hat sich gezeigt, dass eine Vielzahl an diversen Stoffwechselprodukten in den zwei Gruppen unterschiedlich ausgeprägt waren", sagt Benedikt Warth, der diese Forschung als Erwin-Schrödinger-Stipendiat am Scripps Research Institute in La Jolla, Kalifornien betreute.

Das Rauchen ist weltweit die Hauptursache für Todesfälle, denen eine Lungenkrebserkrankung vorausgeht. Warum bestimmte Ethnien eine höhere Wahrscheinlichkeit haben, an Lungenkrebs zu erkranken, kann genetische oder epigenetische Ursachen haben sowie vom Verhalten und Umweltfaktoren beeinflusst sein. Es war bereits bekannt, dass es sehr unterschiedliche Metaboliten gibt, die mit dem Nikotin-Stoffwechsel und der körpereigenen Entgiftung von krebserregenden Stoffen im Zigarettenrauch assoziiert sind. 

Suche nach neuen Biomarkern in Urinproben

Bisherige Studien analysierten diese bereits bekannten chemischen Verbindungen, allerdings nur gezielt. In der aktuellen Studie untersuchten die Forscher*innen ungezielt alle Stoffwechselprodukte, die in dem Urin der Testpersonen zu finden waren – in der Hoffnung, neue Biomarker zu finden, die mit einer größeren Anfälligkeit für Lungenkrebs in Verbindung gebracht werden können.

Mittels moderner massenspektrometrischer Methoden wurden Urinproben von je 30 Afroamerikanern und Weißen untersucht, die täglich mindestens zehn Zigaretten rauchten und ähnlichen Dosen von Nikotin ausgesetzt waren. Die diversen Stoffwechselprodukte, die sich in ihrer Konzentration deutlich zwischen den zwei Gruppen unterschieden haben, ordnete das Forscherteam biologischen Umsetzungsprozessen zu, die mit dem Kohlenhydrat-/Zuckerstoffwechsel, Aminosäuren, Nukleinsäuren, Fettsäuren und Nikotin zusammenhängen. Wie auch in vorangegangenen Studien waren die gemessenen Konzentrationen der Metabolite, die am Nikotinabbau beteiligt sind, bei Afroamerikanern im Vergleich zu Weißen reduziert. 

Entgiftungsprozesse und Fremdstoffe

Als nächster Schritt soll nun an der Fakultät für Chemie insbesondere untersucht werden, "wie diese körpereigenen Entgiftungsprozesse mit anderen Fremdstoffen, die wir über Nahrung und Umwelt aufnehmen, zusammenhängen", so Warth: "Wir sind ja alle tagtäglich auch unzähligen anderen Fremdstoffen ausgesetzt. Diese haben teilweise das Potenzial miteinander zu interagieren und dadurch auch die toxische Wirkung zu beeinflussen." 

Die ganzheitliche Betrachtung dieser Belastungen, die sogenannte Exposom-Foschung, stecke zwar noch in den Kinderschuhen, sagt Warth, "aber sie ist ein wichtiger Schwerpunkt unserer Forschungsarbeiten". Der Chemiker erhofft sich ein besseres Verständnis, wie diese Umwelteinflüsse zusammenwirken und die Entstehung chronischer Krankheiten beeinflussen können, um in Zukunft gezielt präventiv gegenwirken zu können.   

S E R V I C E: Metabolomics Profiles of Smokers from Two Ethnic Groups with Differing Lung Cancer Risk, Romel Dator, Peter W. Villalta, Nicole Thomson, Joni Jensen, Dorothy K. Hatsukami, Irina Stepanov, Benedikt Warth, Silvia Balbo, in: Chemical Research in Toxicology, https://doi.org/10.1021/acs.chemrestox.0c00064

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