Wie eine schöne Umgebung unsere Synapsen beflügelt

13.10.2021

Wie der Mensch Sinneseindrücke und Informationen verarbeitet, hängt sehr von der Funktionsweise der Synapsen in unserem Gehirn ab. Ein Team um Chemiker Robert Ahrends von der Universität Wien und Neurowissenschafter Michael R. Kreutz vom Leibniz Institut für Neurobiologie in Magdeburg konnten nun zeigen, welche Rolle die Regulierung von Lipiden und Peptiden bei der Verarbeitung einer Wohlfühl-Umgebung spielen. Die in den Membranen der Synapsen angesiedelten körpereigenen Lipide sind für die Signalübertragung von zentraler Bedeutung, wie die Forscher in "Cell Reports" berichten.

"Der Mensch erfreut sich in der Regel an einer stimulierenden Umgebung, einer gemütlichen Wohnung, guten Restaurants, einem Park – all das beflügelt uns", sagt Robert Ahrends vom Institut für Analytische Chemie der Universität Wien und ehemaliger Gruppenleiter am ISAS in Dortmund. Frühere Studien haben bereits gezeigt, dass sich ein derartiges enriched environment mitunter positiv auf die kindliche Entwicklung oder auch auf die menschliche Regenerationsfähigkeit, z.B. nach einem Schlaganfall, auswirken kann. "Warum dies so ist, war bisher auf molekularer Ebene noch ungeklärt."

Schöne Sinneswahrnehmungen bilden sich letztlich über die Aktivität bzw. Regulierung der Synapsen ab, also jenen Verbindungseinheiten zwischen unseren Neuronen, die Information von einer auf die andere Nervenzelle übertragen. Um die zugrundeliegenden molekularen Grundlagen zu klären, boten die Forscher den Nagetieren als ihren Modellorganismen ein stimulierendes Umfeld, etwa viel Bewegungsraum, ein Laufrad und weitere Spielsachen.

Mit Hilfe von postgenomischer Analysestrategien (Multiomics) und unter Einsatz hochmoderner Massenspektrometrie und Mikroskopie sowie Bioinformatik für die Datenauswertung untersuchten sie bei den Nagern die Regulierung der Synapsen im Hippocampus, genauer das Zusammenspiel der in den Synapsen-Membranen sitzenden Proteine (Eiweiße) und insbesondere Lipide (Fette).

Synapsen als zentrale Orte der Signalübertragung

"Das Gehirn besteht aus vielen Gehirnzellen, aber 80 Prozent sind dabei nur unterstützende Zellen. Wir haben uns daher auf die Synapsen als zentrale Orte der Signalübertragung konzentriert und diese isoliert", so Neurowissenschafter Michael Kreutz.

Über ihre Analysen erhob das Team quantitative und qualitative Informationen über das Netzwerk von Molekülen, die an den Synapsen reguliert werden, und untersuchten den dortigen Lipid-Stoffwechsel – auch unter dem Einfluss einer Wohlfühl-Umgebung.

Die Analysen ergaben, dass 178 Proteine und 20 Lipide signifikant unterschiedlich stark reguliert waren, je nachdem ob die Mäuse nun in einer stimulierenden Umgebung oder einer ungemütlichen Umgebung Zeit verbracht hatten.

Molekulare Erklärung für positive Effekte

Die Regulationen waren von spezifischen Lipide wie auch Proteine des Endocannabinoid-Metabolismus geprägt, der besonders stark von den Sinneseindrücken einer schönen Umgebung beeinflusst wurde: Kommt die Information als Signal bei der Synapse an, wird die Signalverarbeitung verbessert, welches letztendlich zu einem verbesserten Lernen und Entwickelung führt. Dabei wirkten die komplexen Netzwerke von Lipiden und Proteinen entscheidend auf die Funktionsweise der Synapsen ein.

So liefert die aktuelle Studie eine molekulare Erklärung dafür, warum sich eine schöne, stimulierende Umgebung positive auf die neuronale Plastizität und die Gehirnentwicklung auswirken kann.

Publikation in "Cell Reports":

Multiomics of synaptic junctions reveals altered lipid metabolism and signaling following environmental enrichment; Maximilian Borgmeyer, Cristina Coman, Canan Has, Hans-Frieder Schött, Tingting Li, Philipp Westhoff, Yam F. H. Cheung, Nils Hoffmann, PingAn Yuanxiang, Thomas Behnisch, Guilherme M. Gomes, Mael Dumenieu, Michaela Schweizer, Michaela Chocholoušková, Michal Holčapek7, Marina Mikhaylova, Michael R. Kreutz, Robert Ahrends, in: Cell Reports 2021, DOI: https://doi.org/10.1016/j.celrep.2021.109797

Wissenschaftlicher Kontakt

Assoz. Prof. Dr. Robert Ahrends
Institut für Analytische Chemie
Universität Wien
1090 - Wien, Währinger Straße 38
+43-1-4277-52304
robert.ahrends@univie.ac.at
https://lipidomics.at/

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