Biologisierung der Mikrofertigung

14.11.2022

Sensoren, die auf MEMS-Technologie (mikro-elektro-mechanische Systeme) aufbauen, sind heute unverzichtbar für Entwicklungen in Verkehr, Telekommunikation und Unterhaltungselektronik. Die sehr leistungsfähigen Mikrochips möchte ein europäisches Forschungskonsortium unter Beteiligung der Fakultät für Chemie der Universität Wien für neue Anwendungen nutzbar machen: neue Bio-Sensoren.

Über die Zusammenführung von Silizium, als Träger der Sensorkomponenten, und Biomoleküle sollen künftige Sensoren etwa auch verschiedene Substanzen erkennen können und etwa für die medizinische Diagnose nutzbar werden. Ein Team um Chemiker Mark Somoza von der Universität Wien trägt bringt dabei Methoden zur Biologisierung der Mikrofertigung ein.  Das Projekt wird über das EU-Forschungsprogramm Horizon Europe mit insgesamt drei Mio. Euro gefördert.

Silizium mit Biomolekülen verbinden

Die winzigen MEMS-Sensoren stecken in Tablets, Spielkonsolen wie auch im Automobil. Verrät das Smartphone, wie viele Schritte man am Tag gegangen ist, steckt MEMS-Sensorik dahinter. Durch kostspielige, aufwändige Produktionsbedingungen konzentriert sich die Sensorherstellung auf wenige große Unternehmen der Halbleiterindustrie, von denen viele in Asien tätig sind. Die Ausweitung möglicher MEMS-Anwendungen im Bereich der Biosensorik haperte bisher am Zusammenbau biospezifischer Elemente in miniaturisierten Sensor-Chips.

Ziel des EU-Projektes ist es, eine neue Generation von Biosensoren zu entwickeln. Die MEMS-Sensoren werden in der Regel auf der Oberfläche einer Siliziumscheibe (Silizium-Wafer) hergestellt. Nun soll ein "bio-intelligentes Verfahren" ermöglichen, das Silizium mit Biomolekülen zu verbinden. "Wenn die neue Technologie erfolgreich ist, wird sie wichtige neue Anwendungen für MEMS-Sensoren ermöglichen", so Mark Somoza vom Institut für Anorganische Chemie der Universität Wien.

Die winzigen diagnostischen Sensoren könnten z.B. molekulare Marker für Gesundheit und Krankheit in kleinen Tröpfchen biologischer Flüssigkeiten (etwa Speichel, Blut und Urin) messen. Über die parallele Messung verschiedener Komponenten (Multiplex-Sensorik) könnten sie auch für Analysen in der Lebensmittel- und Landwirtschaft, bei der Strafverfolgung (Drogentests) oder bei der Umweltüberwachung eingesetzt werden.

Nukleinsäure-Photolithographie für MEMS

"Die Universität Wien liefert wichtiges Know-how zur photolithographischen Synthese von DNA direkt auf MEMS-Chips", so Somoza, Leiter der Gruppe Nukleinsäurechemie. Das sei essentiell für die molekulare Selbstorganisation der Biomoleküle und damit die effiziente Herstellung der kleinteiligen Komponenten auf dem Mikrochip.

Hauptziel des dreijährigen Projektes "Bioassembler" ist es, eine bioinspirierte Montagetechnologie für die Herstellung von Multiplex-Biosensoren auf Siliziumbasis in Halbleiter-Fertigungsplattformen zu entwickeln. Das soll auch eine nachhaltige Umstellung der traditionellen Fertigungssysteme in Europa fördern. Sechs europäische Institutionen sind beteiligt: das finnische Forschungsinstitut Teknologian Tutkimuskeskus VTT OY (VTT), Koordinator des Konsortiums sowie Biomensio OY (Finnland), die Universität Wien (Österreich), JOBST Technologies GmbH und Abcalis GmbH (beide Deutschland) sowie Centro de Estudos Sociais - Universidade de Coimbra (Portugal).

Das Projektteam wird auch den Dialog mit der Gesellschaft suchen, um die Akzeptanz und Annahme der neuen Technologie durch ihre potenziellen Endnutzer und die wirtschaftlichen Auswirkungen und Möglichkeiten der Technologie auszuloten.

Wissenschaftlicher Kontakt:

Assoz. Prof. Mark Manuel Somoza

Institut für Anorganische Chemie – Fakultät für Chemie
Universität Wien
Josef-Holaubek-Platz 2 (UZAII), 1090 Wien
+43-1-4277-52643
mark.somoza@univie.ac.at

https://anorg-chemie.univie.ac.at/research/nucleic-acid-chemistry/


Partner-News:


Verrät das Smartphone, wie viele Schritte man am Tag gegangen ist, steckt MEMS-Sensorik dahinter (© Pixabay / StockSnap)

Mark Somoza (l.) und seine Gruppe trägt zum europäsichen Großprojekt Bioassember mit Expertise zur photolithographischen Synthese von DNA direkt auf MEMS-Chips bei (© Nucleic Acid Group)