Start ins All auf der Biennale 2025 in Venedig

Univie begleitet Chef-Bioingenieurin Mira Kordan in Galaxien, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat

Unter welchen Voraussetzungen kann menschliches Leben auf einer langen Reise durch den Weltraum existieren? Könnten Pilze das Rückgrat eines autarken Lebenserhaltungssystems bilden? Die Künstlerin Kristina Pulejkova ging dieser kühnen Vision gemeinsam mit den Wissenschaftlern Diethard Mattanovic (BOKU), Matthias Steiger (TU Wien) und Jürgen Zanghellini (UniVie) und mit Unterstützung der acib GmbH nach. Ihr multidisziplinäres Projekt „The Metabolic Guide to Space Survival“ ist derzeit im Universe Pavillon der Biennale in Venedig zu sehen.

Kristina Pulejkovas Installation The Metabolic Guide to Space Survival lädt uns ein, über eine drängende Frage nachzudenken: Wie kann sich die Menschheit auf Langzeitreisen im All selbst versorgen? Die Besucher*innen betreten dazu einen begehbaren Tunnel, der das Innere des Raumschiffs Möbius darstellt. Inmitten von Laborräumen und Wohnmodulen schwebt eine holografische Projektion von Chef-Bioingenieurin Mira Kordan durch den Raum.

Ihr fiktives Handbuch, das sie im Alter von 75 Jahren an Bord der Möbius verfasst hat, beschreibt, wie mikrobiell basierte Lebenserhaltungssysteme aufgebaut und medizinische Lösungen im DIY-Verfahren entwickeln werden können – und macht so aus moderner Bioingenieurtechnik ein praktisches Überlebenswerkzeug. Zu den Highlights zählen ein vollständig entwickeltes Drei-Gänge-Menü auf Mikrobenbasis und ein leuchtend gelber Koffer voller lebenswichtiger Utensilien: Hefekulturen, eine „Genkanone“ und ein Bioreaktor für die Schwerelosigkeit, der das Lebenserhaltungssystem fernab der Erde in Gang bringt.

Und was, wenn wir „Weltraum“ durch „Erde“ ersetzen? Dann stellt sich die dringliche Frage nach der Nachhaltigkeit menschlichen Lebens angesichts zukünftiger Herausforderungen auf unserem eigenen Planeten. Durch das Verwischen der Grenzen zwischen Science Fiction und Realität zeigt Pulejkovas Arbeit nicht nur aktuelle Spitzenforschung, sondern fordert uns auf, die ökologischen, ethischen und philosophischen Konsequenzen menschlicher Expansion zu hinterfragen.

Kristina Pulejkova wurde 2024 aus 153 Bewerbungen in einem Open Call für die ARTcib SciArt Residency ausgewählt. Während ihres Aufenthalts arbeitete sie mit Prof. Jürgen Zanghellini, dem Leiter der Forschungsgruppe Chemical Bioinformatics Network Analysis, und seinem Team an der Fakultät für Chemie der Universität Wien zusammen.

Gemeinsam entwickelten sie ein Modell für einen hefebasierten Bioreaktor und untersuchten Strategien für dessen optimalen Betrieb. Dieser Bioreaktor ist als zentrales Element des Lebenserhaltungssystems an Bord des fiktiven Raumschiffs konzipiert und soll grundlegende Vorläuferstoffe für alle lebenswichtigen Prozesse an Bord liefern.

Die zentrale Herausforderung: Wie lässt sich eine optimale Leistung des Reaktors sicherstellen?
Wird dem Reaktor Material schneller entnommen, als sich die Mikroorganismen vermehren können, sinkt die Zellzahl schrittweise – bis schließlich keine Zellen mehr vorhanden sind. In diesem Moment bricht der gesamte Fermentationsprozess zusammen.

„Das sind natürlich keine guten Nachrichten, wenn die mikrobielle Fermentation das Rückgrat deines Lebenserhaltungssystems auf einem Raumschiff zum Mars ist“, erklärt Jürgen Zanghellini. „Die Frage, die mich als Computernerd in einer solchen Situation interessiert, ist: Bei welcher Verdünnungsrate sollte ich den Fermenter betreiben, um die Produktion von Zellmaterial pro Minute zu maximieren und damit mein Lebenserhaltungssystem am besten am Laufen zu halten?“

Die Antwort überrascht: Der optimale Punkt ist nicht dort, wo sich die höchste Zahl an Zellen im Reaktor befindet. Vielmehr liegt er knapp darüber – also genau dort, wo die Zellzahl bereits wieder zu sinken beginnt. Je nach Parameter kann dieser ideale Punkt sogar ziemlich nah am „Washout“ liegen. Zanghellini reflektiert: „Wenn der Sweet Spot der Fermentation kurz vor dem Kollaps liegt, heißt das dann, dass man am besten am Rand des Abgrunds lebt, aber ohne abzustürzen? Ich habe mir diese Frage nie gestellt - Kristina schon. Und meine Mathematik sagt ja.“

The Metabolic Guide to Space Survival ist Teil der Ausstellung Sheltering in Space – A Guide, kuratiert von Claudia Schnugg. Die Schau vereint Architekturmodelle, spekulatives Design, Performance und Kunst, um zu erforschen, wie wir Zuflucht schaffen – physisch, sozial und imaginativ. Sie fordert uns auf, unser Verständnis von „Zuhause“ neu zu denken und zu fragen, welche Formen von Schutz wir in einer unsicheren Zukunft brauchen könnten.

 

Die Ausstellung ist vom 10. Mai bis 30. Juni 2025 im Universe Pavillon der Architekturbiennale Venedig 2025 zu sehen.

Ein Beitrag über das Projekt wird am 16. Mai 2025 um 18:45 Uhr in der Sendung „Mayrs Magazin - Wissen für alle“ auf ORF2 ausgestrahlt.

„The Metabolic Guide to Space Survival“ auf der Biennale 2025