Signalverstärkung für NMR-Messungen

24.06.2019

Dennis Kurzbach entwickelt neue Methoden an der Schnittstelle von Biologie, Physik und Chemie. Der Chemiker möchte die Möglichkeiten der NMR-Spektroskopie mittels dynamischer Hyperpolarisation erweitern. Anfang März übersiedelte der ERC-Preisträger von der Pariser École Normale Supérieure, der Eliteschmiede der Sorbonne Universités, an die Fakultät. Hier entwickelt er seine neuartigen Ansätze zur Aufklärung von Atomanordnungen in Raum und Zeit weiter.

Es ist eine Rückkehr: Von 2013 bis 2015 war Dennis Kurzbach bereits als Postdoc in Wien an den Max. F. Perutz Laboratories im Bereich der Strukturbiologie tätig. In den darauffolgenden Jahren in Paris spezialisierte er sich auf magnetische Kernresonanzspektroskopie (NMR) und kombinierbare Methodik.

"Wenn man es geschickt anstellt, kann man jede Methode für verschiedenste Probleme anwenden", sagt Dennis Kurzbach vom Institut für Biologische Chemie und NMR-Zentrum der Fakultät für Chemie: "Mein Ziel ist es, entsprechende Lösungen anzubieten."

100.000-fach stärkeres Signal

NMR gilt als eine der wichtigsten Methode, um Strukturen von Atomen in Lösung zu betrachten. Die Signale, die nach Anregung der Atomkerne im Magnetfeld gemessen und zur Positionsbestimmung der einzelnen Atome im Molekül genutzt werden, sind jedoch relativ schwach. "Nur sehr hohe Substratmengen können dieses Manko ausgleichen – eine Bedingung, die nicht immer erfüllt werden kann. Zudem erlauben die relativ langen Beobachtungszeiten nur selten die zeitliche Auflösung dynamischer Prozesse." Genau das will der Forscher "mit einem Schlag" ändern.

Als Vehikel dient ihm die sogenannte Hyperpolarisation: Die Dissolution Dynamic Nuclear Polarization, kurz D-DNP, bringt eine entscheidende Signalverstärkung bei der NMR-Messung. Dafür wird die Probe im Vorfeld auf bis zu 1 Kelvin (-272,15 Grad Celsius) abgekühlt, was zu einer stärkeren Polarisierung der Magnetfelder führt. Zudem regt man mittels Mikrowellen die Elektronen der extra präparierten Proben derart an, dass sich eine spektakuläre Signalverstärkung einstellt.

Mit dem D-DNP-Prototypen, den Kurzbach und sein Team an der Pariser Sorbonne konstruierte, "haben wir Signalverstärkungen von einem Faktor von über 10.000 erreicht". Daraus ergibt sich, dass auch relativ geringe Substratmengen analysiert werden können. Zudem reduziere sich die Mess-Zeit drastisch, "in etwa von einem Tag auf nur mehr einige Millisekunden".

Präzise Konstruktionsarbeit

Derzeit wird in einer Ecke des NMR-Zentrums geschraubt, gelötet und zusammengesetzt. Dennis Kurzbach baut mit Unterstützung von Thomas Kress und Gregory Olsen einen D-DNP-NMR-Verstärker.  Die Forscher legen selbst Hand an: "Die Arbeit ist eben sehr Hardware-lastig, und wir müssen Acht geben, unseren Ansprüchen gerecht zu werden." Eine technische Herausforderung bei Kurzbachs Ansatz liegt z.B. darin, die D-DNP-behandelte Probe möglichst schnell – innerhalb von ein bis zwei Sekunden – wieder auf Körpertemperatur aufzuheizen und dem NMR zuzuführen.

Für entsprechende Lösungen brauche es mitunter auch Mut im Umgang mit den hochsensitiven Geräten und der Feinmotorik – "dieser Teil der Arbeit von uns Wissenschaftern, die Instrumentation betreiben, wird leider nur selten publiziert", lacht Kurzbach, der neben Chemie auch Philosophie studierte und die Interdisziplinarität seines Bereiches liebt: "Es braucht instrumentelles Handwerk- und Technikverständnis, quantenphysikalische Theorie und biochemische Expertise. Manchen macht dies Angst, mir macht dies Spaß!"

Echtzeit-Monitoring und möglichst lebensnah

Im Rahmen seines ERC Starting Grant will der Chemiker intrinsisch ungeordnete Proteine (BRAC1) untersuchen, die insbesondere im Zusammenhang mit Brustkrebs eine Rolle spielen. Ziel ist es, mit D-DNP-NMR die Wechselwirkung der Proteine mit Transkriptionsfaktoren aufzuklären – und zwar in Echtzeit und unter physiologischen Bedingungen, wie sie in einer menschlichen Zelle vorzufinden sind (Temperatur, Konzentration, pH-Wert etc.). Beides wird über D-DNP möglich. Und es habe sich bereits gezeigt, so Kurzbach, "dass die physiologischen Bedingungen einen Unterschied ausmachen".

Auch die Charakterisierung von Biomineralien mit besonders erstrebenswerten Eigenschaften und die Beschreibung der initialen chemischen Prozesse noch vor der Nukleation des Materials will Kurzbach mit seinem Gerät erkunden.

Über die eigenen Projekte erhofft sich Dennis Kurzbach auch eine Signalwirkung, welche neuen Möglichkeiten die Hyperpolarisation an der NMR-Core Facility bietet. Sein langfristiges Ziel ist es, eine integrierte Methodik zu entwickeln, bei der die Hyperpolarisations-NMR die ersten Millisekunden bis Sekunden von Prozessen charakterisieren und eine Basis für weiterführende Verfahren (Elektronenmikroskopie, Kristallographie etc.) bilden kann, "so dass wir ein globaleres Bild der biochemischen Prozesse erhalten".


Ass.-Prof. Dr. Dennis Kurzbach studierte Chemie und Philosophie in Mainz und absolvierte sein Doktorat am Mainzer Max-Planck-Institut für Polymerforschung. Nach Aufenthalten an den MFPL in Wien und der Ecole Normale Supérieure in Paris kam er im März für die Fast Track-Tenure Track-Stelle „Dynamische Kernpolarisation / Dissolution Dynamic Nuclear Polarization“ an die Fakultät. 2018 erhielt er einen ERC Starting Grant des Europäischen Forschungsrates für sein Projekt HYPROTIN (Hyperpolarized Nuclear Magnetic Resonance Spectroscopy for Time-Resolved Monitoring of Interactions of Intrinsically Disordered Breast-Cancer Proteins).

Im Zentrum der NMR-Spektrometer: Assistenz-Professor Dennis Kurzbach sucht nach Wegen, mit Hilfe der dynamischen Hyperpolarisation physiologische Echtzeit-NMR zu ermöglichen (© Fakultät für Chemie).

Dissolution Dynamic Nuclear Polarization (D-DNP) ist eine Methode zur Verstärkung von NMR-Signalen (Nuclear Magnetic Resonance) um mehr als 4 Größenordnungen (© Dennis Kurzbach).

Schrauben, Zusammenstecken, Löten sind Teil der Arbeit: Derzeit bauen Dennis Kurzbach und seine Gruppe ein dem NMR vorgeschaltetes D-DNP-Gerät am NMR-Zentrum der Fakultät auf (© Fakultät für Chemie).