Daguerreotypie-Technik: Photographisches Verfahren wird interdisziplinär untersucht

21.07.2022

Die Daguerreotypie-Technik ist nach Louis Jacques Mandé Daguerre benannt, dem im 19. Jahrhundert und unter Beitrag von Joseph Nicéphore Niépce die Fixierung eines Lichtbilds auf eine versilberte Kupferplatte gelang. Das Projekt Pheletypia untersucht unter Beteiligung von Chemiker Wolfgang Kautek die frühe Daguerreotypie-Technik.

Zwischen Wissenschaft, Technikgeschichte und Kunst

Im November 2021 wurde das Forschungsprojekt, gefördert durch die Österreichische Akademie der Wissenschaften und die Nationalstiftung für Forschung, Technologie und Entwicklung, begonnen. Das Forschungsprojekt läuft bis 2025. Naturwissenschaft, Technikgeschichte und künstlerische Forschung greifen dabei interdisziplinär ineinander.

Wolfgang Kautek vom Institut für Physikalische Chemie der Universität Wien bringt seine Expertise in der Physikalischen Chemie der Grenzflächen und Nanotechnologie ein. Die zeitgenössische Künstlerin Anna Artaker von der Akademie der bildenden Künste Wien wird auf Basis der erlangten Forschungsergebnisse eine Reihe neuer Kunstwerke schaffen, die zur weiteren Vermittlung von historischen Foto- und Fotoreproduktionstechniken beitragen soll. Geleitet wird das Projekt von  Valentina Ljubic Tobisch vom Fachbereich Röntgenzentrum der Technischen Universität Wien.

Erste Entwicklung der Fotographie und Fotooptik

Die ersten Vorläufer der Fotografie wurden in Wien maßgeblich weiterentwickelt. Untersuchungen im Röntgenzentrum der TU Wien und an der Universität Wien ermöglichen einen neuen Blick auf die Technik- und Kunstgeschichte.

Sie gehören zu den ersten Fotoaufnahmen, die es gibt: Die sogenannten "Daguerreotypien" wurden Ende der 1830er-Jahre vom Franzosen Louis Daguerre erfunden, danach wurden sie in Wien maßgeblich weiterentwickelt. Man experimentierte mit unterschiedlichen Chemikalien, man entwickelte die ersten präzisen Objektive und Kameras.

Nun werden Daguerreotypien aus dieser Frühzeit am Röntgenzentrum der TU Wien genau unter die Lupe genommen. Im Rahmen des Forschungsprojekts Pheletypia wird ihre atomare Zusammensetzung und Struktur analysiert. So gewinnt man neue Einblicke in diese Entwicklungsphase, die sowohl für die Kunstgeschichte als auch für die Technikgeschichte bedeutend sind.

Scharfe, detailreiche Aufnahmen

"Wer glaubt, die ersten kommerziellen Lichtbilder aus den 1840er-Jahren müssen wohl noch verwaschen und verwackelt gewesen sein, der irrt. Gestochen scharfe, detailreiche Aufnahmen sind aus dieser Zeit erhalten. Allerdings war der Herstellungsprozess damals noch äußerst aufwändig", sagt Chemiker Wolfgang Kautek.

Man verwendete Metallplatten, meistens versilbertes Kupfer, die auf Hochglanz poliert und dann mit einer Halogenidschicht bedampft wurden. Diese Platten wurden in die Kamera geschoben, das Objektiv wurde geöffnet und die beschichtete Platte wurde direkt belichtet. Mit giftigem Quecksilberdampf musste das seitenverkehrte Bild unmittelbar danach fixiert und unter großer Vorsicht, ohne es zu berühren, hinter Glas aufbewahrt werden. Jede dieser Daguerreotypien war ein Unikat – es gab schließlich kein Negativ, das man vervielfältigen konnte.

Meilenstein Reproduktion durch Galvanographie

Einen weiteren Meilenstein setzte allerdings der Wiener Anatomieprofessor Joseph von Berres bereits im Jahr 1840. Durch das Ätzen von Daguerreotypie-Platten gelang es ihm erstmalig, Fotografien durch anschließenden Druck zu reproduzieren. Diese Ätztechnik ist noch weitgehend unerforscht und ist auch eines der zentralen Themen von PHELETYPIA.

Röntgendiffraktometrie (XRD)

Durch Röntgendiffraktometrie (XRD) kann nicht nur die atomare Zusammensetzung der Exponate genau untersucht werden, sondern man kann auch die Gitterstrukturen aufklären. Besonders interessant ist, ob mit Jod, Chlor, Brom oder bestimmten Mischungen davon in damals neu erfundenen fotosensiblen Beschichtung gearbeitet wurde. Die Wahl der passenden Chemikalien war damals bei der Verbesserung der anfänglich geringen Lichtempfindlichkeit der Daguerreotypie-Platten ein wichtiges Forschungsthema.

Gleichzeitig wurde in den 1840er-Jahren auch die Optik weiterentwickelt: Bei den ersten Daguerreotypien wurden noch sehr einfache Linsen verwendet. Rasch erkannte man, dass hier Verbesserungsbedarf besteht. Der Mathematikprofessor Josef Petzval an der Universität Wien nahm sich dieser Aufgabe an und entwickelte das erste berechnete Objektiv, das dann von dem Wiener Optiker Voigtländer produziert und zusammen mit der Voigtländer-Kamera damals schon weltweit vermarktet wurde.


Publikationen:

Valentina Ljubic Tobisch und Wolfgang Kautek. "Highly Photosensitive Daguerreotypes and Their Reproduction: Physico-Chemical Elucidation of Innovative Processes in Photography Developed around 1840 in Vienna." ChemPlusChem 84, no. 11 (November 30, 2019) 1730–1738. https://doi.org/10.1002/cplu.201900467.

Valentina Ljubić Tobisch und Wolfgang Kautek. "Die Daguerreotypie zu Beginn der 1840er Jahre in Wien: Eine Rekonstruktion von neu entwickelten Verfahren am Beispiel einer geätzten Daguerreotypieplatte aus dem Technischen Museum Wien", Papers in Conservation (Restauratorenblätter) 37 (2020) 147–61.

 

 

XRD an Daguerreotypie (© Valentina Ljubic Tobisch)

 

Daguerreotypie aus den 1840er Jahren (© Valentina Ljubic Tobisch)

Daguerreotypie-Kamera, Replika Voigtländers erster Metall-Kamera, 1841 (© Wikipedia, public)

Wolfgang Kautek ist einer der drei Principal Investigators von Pheletypia (© Kautek)