"Memory effects of prior subculture may impact the quality of multiomic perturbation profiles."
Falsifizierbarkeit und Reproduzierbarkeit sind für die Wissenschaft von zentraler Bedeutung. Erstere dient nach der Wissenschaftstheorie von Karl Popper dazu, Wissenschaft von Pseudowissenschaft zu unterscheiden. Letztere gewährleistet die methodische Wiederholbarkeit von komplexen Experimenten zur Untersuchung von Gesamtsystemen. So werden zum Beispiel Zellen oder Zellpopulationen mit neuartigen Wirkstoffkandidaten behandelt, um Informationen über mögliche Wirkmechanismen zu erhalten. Dazu werden Technologien eingesetzt, die die Gesamtheit einer Klasse von Molekülen, z.B. Proteine oder Metaboliten, umfassend beschreiben. Solche „Omik“-Studien spielen eine wichtige Rolle bei der Entdeckung neuer wissenschaftlichen Hypothesen, stellen aber auch eine Herausforderung bei der Auswertung aufgrund einer großen Anzahl von Molekülen dar. Die Kontrolle über die Reproduzierbarkeit von „Omik“-Technologien kann zu einer besseren Interpretation der Analyseergebnissen führen.
Reproduzierbarkeit hat dabei mehrere Facetten. Während die Auswirkungen der analytischen Probenvorbereitung und –analyse auf die Reproduzierbarkeit bereits bekannt ist, befasst sich ein kürzlich in der Fachzeitschrift PNAS Vol. 121 | No. 29 erschienener Artikel mit dem Aspekt der Reproduzierbarkeit von Zellsystemen. Diese kann ebenfalls mehreren Einflüssen unterliegen. So ist auch bereits bekannt, dass sich genetische Veränderungen in Zellen bei Langzeitstudien negativ auf die Reproduzierbarkeit auswirken, da sie die Reaktionsfähigkeit der Zellen auf Wirkstoffe verändern können.
Das Team um Samuel Meier-Menches und Christopher Gerner hat nun herausgefunden, dass der Wachstumszustand einer Zellpopulation erheblich zur Reproduzierbarkeit beiträgt. Dieser Effekt ist darauf zurückzuführen, dass die Zellen vor dem Experiment in unterschiedlichen Wachstumszuständen vorliegen können, was sich direkt auf den Informationsgehalt des Experimentes auswirkt, insbesondere bei der Untersuchung von Wirkstoffeffekten. Er betrifft das gesamte Zellsystem und konnte in den untersuchten Molekülklassen der Proteine und deren Phosphorylierungsmuster, sowie Fettsäuren und Oxylipinen nachgewiesen werden. Je einheitlicher der Wachstumszustand ist, umso detailreicher ist die Aussage über den potentiellen Wirkmechanismus. Der Einfluss von Wachstumszuständen in Zellpopulationen auf ein Experiment wurde bisher eher subjektiv gehandhabt. Unsere Studie trägt nun dazu bei, einen objektiven Parameter zu finden, mit dem die Homogenität der Wachstumszustände in einer Zellpopulation bestimmt werden kann, bevor aufwendige und teure „Omik“-Technologien eingesetzt werden. Diese Schlussfolgerungen sind nicht nur für „Omik“-Technologien relevant, sondern von allgemeinem Interesse für die Biowissenschaften, da jedes Experiment mit Zellpopulationen von diesem Effekt beeinflusst wird.