Gedenkstein für Dr. Hans Vollmar am Wiener Zentralfriedhof enthüllt

26.05.2023

Im Rahmen der Feier zum Gedenken an Kriegsende und Befreiung am Wiener Zentralfriedhof wurde 2023 auch eines Opfers aus den Reihen der Chemikerinnen und Chemiker der Universität Wien gedacht.

Am 5. April 1945 wurden in den Räumen der heutigen Fakultät für Chemie in der Währinger Straße im 9. Wiener Gemeindebezirk Dr. Hans Vollmar und Dr. Kurt Horeischy von Prof. Jörn Lange erschossen. Die beiden Assistenten des 1. Chemischen Instituts, Mitglieder der Widerstandsgruppe „Tomsk“, wollten ihren Vorgesetzten daran hindern, ein hochmodernes Elektronenmikroskop, von dem es damals in Österreich nur fünf Exemplare gab, vor dem Einrücken der Roten Armee in Wien zu zerstören. Lange rechtfertigte sein Vorgehen mit dem Befehl, der an den Prorektor der Universität Wien ergangen war, alle kriegswichtigen Geräte in den Universitätslaboratorien unbrauchbar zu machen.

Die beiden Opfer wurden einige Tage nach der Tat in der Bestattungsstelle im Garten hinter der 1. Medizinischen Klinik beerdigt, im Zuge des Gerichtsverfahrens gegen Lange nach Kriegsende exhumiert und obduziert, und schließlich am 23. August 1945 auf dem Baumgartner Friedhof beigesetzt. Lange, ein überzeugter Nationalsozialist, wurde in einem Prozess am Landesgericht für Strafsachen in Wien zum Tode verurteilt, der Vollstreckung des Urteils entzog er sich durch Selbstmord. Seit 1947 erinnert eine auf Veranlassung der Akademischen Freiheitskämpfer angebrachte Gedenktafel im Foyer des Gebäudes Währinger Straße 42 an den Mord an den beiden Assistenten.

Die Initiative für einen Gedenkstein für Dr. Vollmar fast 80 Jahre nach der Tat ging von Annette Marchl aus, Enkelin von Prof. Ludwig Ebert, dem damaligen Vorstand des 1. Chemisches Instituts. Durch Papiere im Familienbesitz auf die tragischen Ereignisse von 1945 aufmerksam geworden, begann Frau Marchl nachzuforschen: „Im Zuge meiner Recherche im Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands, stieß ich auf die Tatsache, dass Dr. Hans Vollmar im Mai 1987 vom Baumgartner Friedhof auf den Zentralfriedhof umgebettet wurde. Nach dortiger eindringlicher Suche seiner letzten Ruhestätte, musste ich feststellen, dass es kein ersichtliches Grab für Dr. Vollmar gibt.”

Frau Marchl wandte sich an das Bundesministerium für Inneres. Die sterblichen Überreste von Dr. Vollmar konnten identifiziert werden und wurden in ein Grab in der Gruppe der ehrenhalber gewidmeten Gräber des Wiener Zentralfriedhofs (Gruppe 40) bestattet. Der am 8. Mai im Beisein von Bundesminister Gerhard Karner enthüllte schlichte schwarze Grabstein trägt die Aufschrift „Hans Vollmar /Chemiker / 8.6.1915 – 5.4.1945 / (ermordet)”.

Für Kurt Horeischy besteht weiterhin ein Ehrengrab am Baumgartner Friedhof (Gruppe E1 Grab 170). 

Bereits anlässlich des 80. Jahrestags des „Anschlusses” 2018 ist an der Fakultät für Chemie eine Gedenkwand enthüllt worden, die an Dr. Hans Vollmar, Dr. Kurt Horeischy und Prof. Jacques Pollak – verstorben im Konzentrationslager Theresienstadt –  erinnert, sowie an die Lehrenden und Studierenden des Fachs Chemie, die in der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft aus rassistischen oder politischen Gründen verfolgt, vertrieben und ermordet wurden. MIt der von Bele Marx & Gilles Mussard gestalteten Wand wurden die bestehenden Gedenktafeln mit künstlerischen Mitteln in einen zeitgemäßen Erinnerungskontext gesetzt.  

 

 

Bundesminister Gerhard Karner am Grab von Dr. Hans Vollmar (© P. Lieberzeit)

"Zum Gedenken an Dr. Hans Vollmar und die Opfer des NS-Terrors / Fakultät für Chemie – Universität Wien" (© P. Lieberzeit)

Gedenkwand an der Fakultät für Chemie (© Universität Wien/ Phillip Lichtenegger)