Annette Rompel: Wegbereiterin für Frauen in der Chemie an der Universität Wien

1984 beginnt eine junge Frau in Münster ihr Chemiestudium, 2008 wird sie die erste Professorin für Chemie an der Universität Wien. Was brachte Annette Rompel dazu, Chemie zu studieren?

In ihrer Familie gab es keine Chemiker, erklärt Rompel. Ihre Mutter hatte Pharmazie studiert, doch es war vor allem ein herausragender Chemieunterricht, der ihre Begeisterung weckte. Engagierte Lehrerinnen ermöglichten ihr auch die Teilnahme an der Chemieolympiade. Sie betont: „Es ist für die Zukunft der Chemie entscheidend, Schüler*innen das Fach anschaulich zu erklären und sie gezielt zu fördern.“

Ihre Familie unterstützte sie tatkräftig auf ihrem Weg. Besonders ihr Vater, der sein Medizinstudium in der wirtschaftlich schwierigen Nachkriegszeit abbrechen musste, legte großen Wert darauf, beiden Töchtern ein Studium zu ermöglichen – sowohl durch Ermutigung als auch durch finanzielle Unterstützung. Diese Unterstützung gab Annette Rompel die Möglichkeit, sich vollständig auf ihr Studium zu konzentrieren.

Eine neue Perspektive in Kalifornien

Annette Rompel 1995 am Lawrence Berkeley National Laboratory

Nach der Promotion verließ sie das konservative Umfeld der Universität Münster und ging mit einem Forschungsstipendium an das Lawrence Berkeley National Laboratory der University of California. Dort forschte Judith Klinman seit 1978 als erste Professorin, die – wie Annette Rompel – auf dem Gebiet der Kupferproteine arbeitete, gefolgt von Darleane Hoffmann 1984. „In den USA“, erinnert sich Rompel, „hatten Frauen damals schon einen anderen Stellenwert in der Chemie und in der Wissenschaft. Die Atmosphäre war offener, man hatte das Gefühl, gleichberechtigter zu sein.“ Diese Erfahrung prägte ihr Verständnis davon, wie wichtig ein unterstützendes Umfeld und weibliche Vorbilder in der Wissenschaft sind.

1996 kehrte sie nach Münster zurück und habilitierte sich dort im Jahr 2000. Es folgten eine Assistenzprofessur an der Universität Odense und eine Vertretungsprofessur für Biotechnologie in Münster, bevor sie 2008 als erste Professorin für Chemie an die Universität Wien berufen wurde. Die gläserne Decke war zu diesem Zeitpunkt noch fest etabliert: Erst 1975 hatte sich mit Nelly Konopik erstmals eine Frau im Fach Chemie habilitiert. Ein Rückblick auf die chemische Forschung der Universität im Rahmen einer Ausstellung anlässlich des „Jahres der Chemie“ 2011 konnte nur männliche Chemiker vorstellen.

Berufung nach Wien

Annette Rompel und ihre Arbeitsgruppe 2009 in Wien

Annette Rompel bemühte sich nach ihrer Berufung, durch persönliche Gespräche mit allen habilitierten Kollegen – einschließlich einiger ao. Professorinnen – eine positive Arbeitsatmosphäre zu schaffen. Doch der Weg war nicht immer einfach. „Die Situation der Frauen an der Universität und in der Forschung hat sich in den letzten 30 Jahren dramatisch verändert“, sagt sie. „Frauen sind heute an der Fakultät willkommen.“

Zu dieser Veränderung trugen wesentlich die Berufungen weiterer Professorinnen in den folgenden Jahren bei: Doris Marko (2009, Lebensmittelchemie), Anja Lembens (2010, Didaktik der Chemie), Leticia González (2011, Theoretische Chemie, Veronika Somoza (2011, Physiologische Chemie), Gunda Köllensperger (2014, Analytische Chemie) und Ellen Backus (2018, Physikalische Chemie). Ebenfalls 2018 wurde Margit Cichna-Markl in einem universitätsinternen kompetitiven Verfahren zur Universitätsprofessorin ernannt.

Diese Entwicklung war das Ergebnis einer Berufungspolitik, die Frauen aktiv förderte. Annette Rompel dankt insbesondere dem emeritierten Dekan Bernhard Keppler sowie seinem Nachfolger Christian Becker, die diese Politik unterstützt haben. Sie selbst war Mitglied der Kommissionen, die zur Berufung von Leticia González und Ellen Backus führten.

Auch Förderprogramme des FWF spielen eine wichtige Rolle. Die Programme ESPRIT und ASTRA ersetzen mittlerweile die Elise Richter und Herta Firnberg Programme und unterstützen Frauen in der PostDoc Phase. So bietet ASTRA eine zusätzliche Förderung für Frauen auf Tenure-Track-Stellen oder Professuren. Annette Rompel vertritt den Bereich der Anorganischen Chemie im FWF-Kuratorium und betont auch, wie wichtig es ist, dass die EU-Gremien auf ein möglichst ausgeglichenes Geschlechterverhältnis bei Gutachter*innen achten.

Für die Nachwuchswissenschafterinnen in ihrer Arbeitsgruppe hat sie sich immer als Mentorin gesehen: Die Astrobiologin Tetyana Milojevic erhielt 2020 einen ERC Consolidator Grant und ist heute Professorin am Center for Molecular Biophysics in Orléans. Nadiia Gumerova, die 2017 mit einem Lise-Meitner-Stipendium aus der Ukraine nach Wien kam, forscht erfolgreich auf dem Gebiet der bioaktiven Materialien.

Und heute?

Die Arbeitsgruppe des Instituts für Biophysikalische Chemie im Jahr 2017

Im Rückblick ist Annette Rompel zufrieden: Sie hat das Institut für Biophysikalische Chemie erfolgreich aufgebaut und konnte ihre wissenschaftlichen Pläne umsetzen. Die Forschung in ihrem Labor beschäftigt sich mit der Entschlüsselung der faszinierenden Verbindungen zwischen Chemie und Biologie. Mit einem innovativen interdisziplinären Ansatz überbrückt ihre Arbeit die Grenzen traditioneller wissenschaftlicher Disziplinen und schafft neue Möglichkeiten, dringende Herausforderungen in den Bereichen Ökologie, Gesundheit und Technologie zu bewältigen.

Ihr Rat an junge Frauen, die eine wissenschaftliche Karriere anstreben? „Mindestens eine Postdoc-Stelle an einer international renommierten Universität und danach eines der Rückkehrprogramme nutzen.“ Natürlich müsse man sich der Konkurrenz stellen, doch es gibt inzwischen gute Fördermöglichkeiten. Herausforderungen wie die Vereinbarkeit von Familie und Karriere bestehen weiterhin, aber es gibt auch viele Fortschritte, die Wissenschaft für Frauen zugänglicher gemacht haben.